WS 1995/96 Med. HS: "Jenseitsdarstellungen des Mittelalters in Text und Bild"
[ Hauptmenü] [ Seminarplan] [ Thesenpapiere] [ Bildmaterial]
[ Thesenpapier als Word-Datei (9KB)]

Referent: Ulrich Heußel

Des Teufels Netz

I. Inhalt
II. Handschriften
III. Bilder in den illustrierten Handschriften A und D
IV. Allegorie des Netzes
V. Frage nach der Gattung
VI. Literatur

I. Inhalt

In einem Prolog wird das Werk als "lere" (V 15) und "warnung" (V 78) einem nicht näher definierten Publikum vorgestellt. Die eigentliche Handlung besteht nur aus einer Rahmenhandlung: Der Teufel erscheint einem meditierenden Einsiedler, der ihn durch Anrufung Gottes bannen und in einen Dialog verwickeln kann. Er zwingt ihn darin zur Preisgabe seiner Schliche.

Der Teufel berichtet, daß seine Knechte, die Personifikation der Sünden sind, mit einem Netz über die Welt ziehen, um sündige Seelen zu fangen. Er nimmt dies zum Anlaß für einen ausführlichen Sündenkommentar.

Auf die Frage, warum die Menschen sündig sind, antwortet der Teufel, sie beachteten nicht die Zehn Gebote, die im Dekalogteil behandelt werden.

Das Hauptstück stellt der Ständeteil dar, in dem der Teufel dem Einsiedler über die einzelnen geistlichen (Konzil, Papst bis Bettelmönch) und weltlichen Stände (Kaiser bis Dirne) Auskunft gibt. Er schildert deren Laster und typische Vergehen und gibt Auskunft über die entsprechende Bestrafung in der Hölle. Einzig Demut gegenüber Gott verspricht Rettung vor den Knechten und dem Netz des Teufels.

Zum Ende folgt ein Dialog zwischen Christus und dem Teufel, in dem beide ihre Rechtsansprüche auf die sündigen bzw. guten Seelen klären. Christus befiehlt den Teufel nach erfolgter Einigung in die Hölle hinunter.

II. Handschriften

Es sind vier Handschriften unbekannter Autoren überliefert (A,B,C,D), deren jüngste (A) 1441, deren älteste (D) 1472 datiert wird. Alle weisen schwäbisch-alemannische Mundartmerkmale auf. Außer C stammen sie wohl aus klösterlicher Umgebung, bei C wird ein Fürst als Auftraggeber vermutet. A und B enthalten ausschließlich das Teufelsnetz, C und D sind Sammelhandschriften mit je drei Werken, von denen eines das Teufelsnetz ist. A ist die ausführlichste (13 657 Verse), B die kürzeste (7 100 Verse) Darstellung, B wird als "Minimalbestand" angesehen. A und D sind illustriert s.u.
                            A      B      C     D      
Sündenteil:                 +      +      +     -      
Dekalogteil:                +      -      +     +      
Ständeteil:                 +      +      +     +      
Dialog Christus-Teufel:     +      -      +     +      
                                    

III. Bilder in den illustrierten Handschriften A und D

In A ist nur das Titelbild ausgeführt, durch den Rest der Handschrift ziehen sich 106 Bildlücken, teils mit Überschriften, wo die Illustration nicht ausgeführt ist. Das Titelbild stellt die Teufelsknechte mit dem Netz und einigen gefangenen Seelen dar.

Die erste Lage von D ist verloren, daher weiß man nichts von der Existenz eines vergleichbaren Titelbildes. Auffällig ist hier, daß im Gegensatz zu A nur der Ständeteil bebildert ist (62 ausgeführte Bilder, 22 Lücken). Auch die anderen Texte dieser Sammelhandschrift "Rittertreue" und "Spruch der Treue" sind nicht zur Illustration vorgesehen.

Die Zeichnungen sind keine Darstellung des Textes, sondern meist neutrale Wiedergaben der einzelnen Stände und beinhalten nicht die Sünden und Strafen. Jenseitsdarstellung also Fehlanzeige! Ehlers gibt ihnen "Lesezeichenfunktion" (S.54 - s. Literatur).

Schweitzer stellt drei Kategorien fest:

1) neutrale Standesdarstellung: Status und Tätigkeit nur dargestellt, nicht bewertet: Meßner

2) Hinweise auf Eigenschaften, auch Laster des Standes:
- Chorherr mit Dame => Umgang dieser Leute
- Klausnerin: andachtsvolles Leben als Vorbild

3) Aussage über das Vehalten des Standes: Schiffer in überladenem Boot

IV. Allegorie des Netzes

Das Bild vom Teufelsnetz ist eine Weiterentwicklung des verbreiteten Bildes von den die Welt fesselnden Stricken des Teufels (s. Berthold von Regensburg, Antonius). Diese statische Situation wird durch den Fischzug der Teufelsknechte dynamisiert, die Knechte bekommen eine aktive Rolle, indem sie objektiv die Sünden feststellen und die Sünder einfangen. Sie verführen zu Sünde und die Seele verstrickt sich im Netz, nur Demut kann es zerreißen. Dieser Fischzug steht dem Menschenfischertum Christi gegenüber.

Ehlers (S. 74): Das Netz ist ein "Instrument, das die Grenze zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Teufel markiert".

V. Frage nach der Gattung

Die einzelnen Teile des Werkes stehen mit verschiedenen Gattungen in Verbindung. Sünden- und Dekalogteil sind dem katechetischen Schrifttum der Zeit nahe. Für den Ständeteil wird eine enge Verwandtschaft zum "Schachzabelbuch" Konrads von Ammenhausen festgestellt. Ebenso korrespondiert er mit den Teufelsszenen mittelalterlicher Osterspiele (z.B. Redentiner Osterspiel). Werner nennt Teufelsnetz ein "satirisches Lehrgedicht mit allegorischer Einrahmung".

Ausgabe:

Des Teufels Netz. Hrsg. v. K. A. Barack. Stuttgart 1863 (StLV 70)

VI. Literatur

EHLERS, ANKE: Des Teufels Netz. Untersuchungen zum Gattungsproblem. = Studien zur Poetik und Geschichte der Literatur Bd. 35. Stuttgart u.a. 1973

PERJUS, EDIT: Des Teufels Netz. VL 4. Sp. 402-411

SCHWEITZER, FRANZ-JOSEF: Tugend und Laster in illustriertn didaktischen Dichtungen des späten Mittelalters. Studien zu Hans Vintlers Blumen der Tugend und zu Des Teufels Netz. = Germanistische Texte und Studien Bd. 41. Hildesheim u.a. 1993

WERNER, HEINRICH: Des Teufels Netz. Überlieferung und Handschriftenverhältnisse. Diss. Halle (Saale) 1911

[ Thesenpapier als Word-Datei (9KB)]
[ Hauptmenü] [ Seminarplan] [ Thesenpapiere] [ Bildmaterial]

WS 1995/96 Med. HS: "Jenseitsdarstellungen des Mittelalters in Text und Bild"
Stand: 13.05.1996