von Nicoletta Kolmeder (vorgetragen am 23.01.2020 als Teil des Workshops „Ein flüssiger Kontinent? Méditeranée zwischen Fiktion und Realität. Panel 1: (Film-)Geschichten und (Film-)Landschaft des Mittelmeers“)
Der Spielfilm und dessen Darstellungen sind grundsätzlich fiktiv und narrativ. Figuren und Handlungen sind meist frei erfunden oder sogar von wahren Begebenheiten inspiriert. Doch im Kern bleibt der Film, egal auf welchem Ursprung beruhend, nur eine Abbildung einer möglichen oder phantastischen Welt.
Wie fiktiv sind also die Drehorte und Kulissen im Hinblick dessen, was sie darstellen? Schauplätze im Film sind nicht nur dekorativer Hintergrund sondern in der Regel bewusst für bestimmte Szenen ausgewählt.
Ich möchte Ihnen heute Abend die Funktionen und Bedeutung der Kulisse näher bringen. Am Beispiel Italien begeben wir uns dann auf eine filmhistorische Reise durch erbaute Kulissen und berühmte Schauplätze des Landes, die durch nationale und internationale Produktionen Aufmerksamkeit erlangten. Oft prägte dieser Umstand wiederum die Schauplätze selbst und wirkte sich auf Landschaft, Kultur und Tourismus des Landes aus.
Die Kulisse und der Schauplatz eines Films stellen für den Zuschauer Erfahrungswelten dar. Diese werden multi-dimensional vermittelt und machen sich hierfür die illusionistische Realitäts-Darstellung des Films zunutze. Das heißt, dass die Räume nicht direkt von uns erforscht werden, sondern das Bild, dass wir letztendlich sehen, von der Kamera und vorbestimmten Perspektiven bestimmt wird. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, durch bewusste Auswahl und Darstellung des Gezeigten, eine Illusion von einem eingegrenzten oder auch weiten, dreidimensionalen Raum zu schaffen, unabhängig vom tatsächlichen Format der Kulisse.
Der Film war in seiner Anfangsphase lange ein technisches und ästhetisches Experiment. Die Italienische Filmproduktion begann mit dem Rest Europas in den frühen 1900er Jahren. Zu dieser Zeit waren die Kameras während der Aufnahmen noch unbewegt. Zudem war man auf gut ausgeleuchtete Studios angewiesen, um erfolgreiche Aufnahmen machen zu können. In Italien und dem Rest Europas und Amerikas glichen die Kulissen vorerst noch den Bühnenbildern, die bereits im Theater verwendet wurden. Meist bildeten bemalte Prospekte den Hintergrund, oft sogar im Stil des Trompe-l’œil, einer illusionistischen Malerei, die dreidimensional wirkt. Die statische Kamera unterstützte dabei die Perspektive, die für diese Täuschung nötig ist.
Die Szenen, die sich vor diesen Kulissen abspielten, waren vielfältig, aber selten besonders komplex. Die Kamera und somit die Position des Zuschauers war nicht in der Lage, den abgebildeten Raum dynamisch wahrzunehmen, sondern (wie im Theater) perspektivisch begrenzt.
Das Kamerabild bietet dabei eine zentralperspektivische Sicht auf die illusionistische Raumbühne. Man folgt vor allem der Handlung und Bewegung, doch ein Nachdenken über den Handlungsort findet kaum statt.
Für die Produktion in den Studios waren die sogenannten Filmausstatter und Dekorateure sehr angesehen. Oft kamen sie tatsächlich aus dem Bereich des Theaters und sprangen während der Aufnahmen sogar selbst als Regisseure ein. Neben dem Aufgabenbereich eines Bühnenbildners fungierten sie zudem als Trick- und Kameraspezialisten. Die gewählten Hintergründe wurden zwar ungefähr der Szene angepasst, waren aber an sich schon vage genug, um immer wieder verwendet zu werden. Es gab bestimmte Einheitskulissen für komische bis hin zu religiösen Szenen.
Diese Anfangsjahre waren für Filmproduktionen weitestgehend identisch und boten kaum Besonderheiten des jeweiligen Landes.
Die technischen und ästhetischen Möglichkeiten des Films sollten erst noch entdeckt werden und damit auch komplexere Kulissen mit sich bringen.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Italien sein erstes großes Filmgenre: den Monumentalfilm. Dieser erlangte schnell beim Publikum im Inland und Ausland eine so große Beliebtheit, dass die Zahl der italienischen Produktionen stark anstieg. Im Entstehungsjahr des Genres 1905 wurden zunächst 8 Filme dieser Art gedreht, fünf Jahre später wurden dann in nur einem Jahr 561 neue Monumentalfilme produziert.
Im Gegensatz zu den Filmen der vorherigen Jahre hatten diese historisch und manchmal mythologisch inspirierten Filme einen hohen Anspruch auf Ernsthaftigkeit. Dafür wurden neue Kulissen erschaffen mit plastischen Architekturen, weshalb man auch von „Ausstattungsfilmen“ sprach.
Diese dreidimensionalen Filmarchitekturen wurden auch aus einem anderen Grund notwendig, denn immer öfter wurden nun auch Kameraschwenks eingesetzt, was komplexere Räume forderte. Die zweidimensionalen Hintergründe konnten den Entwicklungen des Mediums Film nun nicht mehr standhalten.
Zudem forderte der Monumentalfilm beeindruckende, historische Rekonstruktionen, die dem Zuschauer ein visuelles Spektakel bieten konnten.
Zuerst wurde versucht, die illusionistische Tiefe von Bühnenbildern in den Film zu übertragen, um dreidimensionale Räume anzudeuten. Schließlich entschied man sich jedoch für Architekturen in echtem Maßstab. Das Klima Italiens war dabei ideal, um außerhalb der Studios riesige Kulissen unter freiem Himmel zu bauen. Für die Beleuchtung der Szene reichte üblicherweise das starke Sonnenlicht aus.
Die Arbeit des Bühnenbildners Enrico Guazzoni war dabei bahnbrechend. Da er Hobby-Archäologe war, waren gerade historische und mythologische Kulissen sein Spezialgebiet. Er entwarf beispielsweise die Räume, Arenen, Paläste und Tempel in Brutus (1910) und Quo Vadis? (1912) und führte zusätzlich Regie.
Selbstverständlich mussten die Kulissen so verschwenderisch und prunkvoll wie möglich aussehen und nicht nur die räumliche Gestaltung wirkte gigantisch. Meist wurden mehrere tausend Statisten pro Film beschäftigt, die sich in den gewaltigen Bauten aufhielten.
Hin und wieder wurden die Dimensionen der Kulisse noch verstärkt, indem ein Durchgang oder eine Säulenreihe im Hintergrund, durch optische Täuschung, den Raum tiefer machten als er war.
Im Vordergrund und dem von den Darstellern bespielten Raum war aber alles in einem lebensgroßen Maßstab und korrekten Verhältnissen gehalten. Dadurch konnten lange Schwenks der Kamera an der Architektur entlang fahren, Perspektivwechsel stattfinden und sogar Details der Kulisse gezeigt werden. Diese neuen Möglichkeiten grenzten nicht nur die Ästhetik des Films vom Theater ab, sondern führten dazu, dass nun auch ein klarer Unterschied zwischen Bühnenbildnern und Raumausstattern des neuen Mediums gemacht wurden.
Die bedeutendste Kulissenarbeit aus der Zeit des Monumentalfilms ist in Cabiria aus dem Jahre 1913 zu sehen. Der Ausstatter war Camillo Innocenti. Bedeutend ist diese Filmarchitektur vor allem aufgrund der Gestaltung des Palastes. Prunkvolle, orientalische Dekorationen in Form von großen Elefantenstatuen und Steinsäulen lassen das Szenenbild reich und beeindruckend aussehen. Auch hier wurden perspektivische Tricks angewendet, um Räume größer aussehen zu lassen. Der bespielte Raum selbst war jedoch aufwendig und mit vielen Details in Originalgröße aufgebaut worden.
Die Ausgaben für das Bühnenbild alleine betrugen dabei mehrere Milliarden Lire und der Aufbau dauerte zwei Jahre.
Die aufgebauten Kulissen waren aber für gewöhnlich nicht dafür gedacht, von Dauer zu sein. Nach den Dreharbeiten wurde die aufwendige Arbeit zerstört, um Platz für das nächste Projekt zu schaffen. Eine Handlung die in jeder anderen Form der Architektur in der Regel stets zu vermeiden war, war für den Film ganz normal. Die Bauten waren nun mal nicht echt und das Zeugnis dieser Welten war letztendlich nur noch im Film selbst zu sehen.
Ein großer Vorteil der Kulissen, die extra für einen jeweiligen Film gebaut wurden, war, dass man diese entsprechend der Stimmung und Aussage des Films anpassen konnte. Der gebaute Raum ist während der Dreharbeiten der erste Ausgangspunkt einer Szene, der vom Regisseur genutzt und von den Schauspielern bespielt wird.
Genau dieser angepasste Ausdruck der Kulisse war auch in einem anderen italienischen Genre sehr wichtig: dem futuristischem Film. Diese Bewegung entstand kurz nach den Monumentalfilmen und die beiden Genres existierten eine Zeit lang parallel. Der futuristische Film basierte jedoch mehr auf experimentellen Kulissen und Aufnahmen. Ausgangspunkt dabei war eine Theorie, die das neue Medium im Allgemeinen weiter dachte.
Der Film als Kunstform gewann nämlich 1911 noch einmal stark an Bedeutung, als der italienische Filmhistoriker Ricciotto Canudo das „Manifest der siebenten Kunst“ verfasste. Dies verstärkte auch die Bedeutung und künstlerische Auffassung der Filmdekorationen und Kulissen. Das Manifest etablierte neben Literatur, Bildhauerei, Malerei, Architektur, Tanz und Musik den Film als siebte Kunstform zu einer Zeit, in der das Medium gerade erst begonnen hatte, seine Möglichkeiten auszuschöpfen. Der Film sollte die Möglichkeit haben, alle anderen Künste in sich zu vereinen. Die Literatur wurde zur Filmhandlung, die ebenso Stimmungen, Gedanken und Gefühle auszudrücken vermag. Die Bewegung des Tanzes und der Rhythmus der Musik lassen sich auch in der Erzählstruktur und dem Bild des Films wiederfinden. Die räumliche Einrichtung der Filmszenen können neben der Malerei auch Plastiken und vor allem die dreidimensionale Architektur für sich nutzen.
Die futuristische Bewegung in Italien konzentrierte sich darum in großer Zahl auf den Film, der als neues Medium an sich schon einen futuristischen Charakter barg. Mit dieser Ansicht beschäftigte sich erneut ein Manifest namens „La cinematographia futurista“, das 1916 von Marinetti verfasst wurde. Aus dieser Zeit sind kaum Aufnahmen erhalten und heute haben wir lediglich Standbilder von wenigen Filmen, unter denen wir uns den futuristischen Film Italiens vorstellen können. Zu Beginn erkannten selbst die Futuristen nicht, welche Möglichkeiten der Film in der Raumdarstellung bieten kann und auch sie experimentierten viel mit verschiedenen Vorgehensweisen. Es gab bereits vor dem ersten Weltkrieg Versuche, die Aufnahmen mit reinem Licht machten. Jedoch wurde später vor allem auch die Miteinbeziehung der Architektur gefordert. Stilistisch waren die Ergebnisse jedoch mehr dem Dadaismus und Surrealismus zuzuordnen. Keiner der Filme konnte scheinbar die futuristischen Vorstellungen und Theorien erfolgreich in die Praxis umsetzen.
Der heute bekannteste italienische Film dieser Zeit ist jedoch Thais. Dieser beinhaltete abstrakte und illusionistische Elemente in seiner Kulisse, doch heute sind nur noch Standbilder dieser erhalten. Jedoch hatte die Kulisse wohl bedeutende Bezüge zur Handlung, vor allem aber spiegelte sie die Mimik, Gestik und Emotionen der Hauptfigur wieder. Die unruhigen Bewegungen waren in den verzerrten, geometrischen Hintergründen wiederzufinden.
Während und nach den Weltkriegen sah sich Italiens Filmproduktion immer wieder mit wirtschaftlichen und kreativen Schwierigkeiten konfrontiert. Der geld- und zeitaufwändige Monumentalfilm hatte starke Einbußen und verschwand langsam, vor allem auch, da nach Cabiria kaum einer einen ebenbürtigen Anschluss fand.
Das Medium Film wurde immer wieder als politisches Kriegspropagandamittel genutzt und für experimentelle Aufnahmen fehlten meist Geld und Ressourcen.
Zwischen den Kriegen, im Jahre 1937, wurde von Benito Mussolini die Cinecittà errichtet, eine Filmstadt in der Nähe von Rom.
In den hier entstehenden Filmen entwickelte sich nach einiger Zeit ein neuer Trend im Produktionsablauf.
Ursprünglich aus Hollywood kam die Idee, einem production designer die Planung und Koordinierung bestimmter ästhetischer Elemente zu überlassen. Die Filmarchitektur sowie Licht und teilweise Kamera fielen nun in das Zuständigkeitsgebiet dieser Position. Für die kreative Ausführung war der art director zuständig, unter dessen Anweisungen die verschiedenen Künstler und Handwerker arbeiten. Dies führte zu einer verstärkten Spezialisierung der Gebiete und einer höheren Effektivität. Die kreative Freiheit der ursprünglichen Filmausstatter wurde dadurch aber deutlich eingeschränkt.
Nach dem zweiten Weltkrieg kam es zu einer Wendung für die Filmkulissen. Die Cinecittà Studios waren durch den Krieg beschädigt und wurden zudem von Kriegsflüchtlingen als temporäre Unterkunft genutzt. Somit kam es erneut zu einem Schauplatzwechsel. Die italienischen Regisseure des Neo-Realismus nutzten die Straßen der vom Krieg zerstörten Städte als Handlungsort ihrer Filme. Der Bekannteste unter ihnen war Roberto Rossellini.
Wichtig im Hinblick der Kulisse ist, dass die Nachkriegszeit, aus einer Not heraus, den Realschauplatz als Drehort erfand. Dieser Raum konnte zwar nicht mehr durch seine kreative Künstlichkeit der Handlung angepasst werden, jedoch hatte er einen umso größeren Realitätsgehalt.
Dieser reale Schauplatz sollte sich noch lange halten. Echte, historische oder bekannte Architekturen und Sehenswürdigkeiten sorgten für ein Wiedererkennungsmerkmal und konnten auch ausländischem Publikum ein authentischeres Bild eines Landes durch das Medium des Spielfilms bieten.
Bekannte Stadtbilder geben dem Zuschauer zudem ein Gefühl der Vertrautheit.
Diese Vertrautheit kann aber auch einen Ansatz für Manipulation bieten. Durch die Kamera können beispielsweise Blickwinkel geboten werden, die für den normalen Spaziergänger oder Touristen ungewohnt sind. Der Schauplatz kann mit durchdachten Detailaufnahmen oder Montagen inszeniert werden, um eine bestimmte Aussage zu erreichen.
Durch Ausstattung des Realschauplatzes mit kulissenhaften, für den Film gebauten Elementen wird das Bild wieder teilweise der Handlung unterworfen.
Einer der bekanntesten italienischen Filme vereint ebenfalls diese Elemente von Realschauplätzen und Kulissen für das ästhetisierte Filmbild. La dolce vita (oder sein deutscher Titel Das süße Leben) von Federico Fellini erschien im Jahre 1960. Zu dieser Zeit war die Straße als Drehort bereits etabliert, jedoch war auch Roms Filmstadt Cinecittà wieder in Betrieb. Die Filmhandlung führt durch einige bekannte Schauplätze Roms. Vielen wird vielleicht auch die Szene bekannt sein, in der die Hauptfiguren in den Trevi-Brunnen steigen. Die meisten Orte, die zu sehen sind, sind die Originale aus Rom, die durch Dekoration und Kulissen-Elemente teilweise angepasst wurden.
Realschauplätze bieten eine gute Vorlage als Drehort. Allerdings gibt es hier für die Regisseure eine große Hürde zu beachten: Drehgenehmigungen.
Fellini stieß bei La dolce vita auf genau dieses Problem. Für die Via Vittorio Veneto, in der ein Großteil des Films spielt, konnte keine Genehmigung für geeignete Uhrzeiten ausgestellt werden. Um das Problem zu beheben, hat man diese Straße schließlich detailgetreu in der Cinecittà nachgebaut.
Auch Produktionen aus Hollywood wurden auf Italien als Filmschauplatz aufmerksam. Bereits für den Film Ben Hur von Fred Niblo aus dem Jahre 1925 beschlossen die Produzenten, den Drehort nach Italien zu verlegen. Sie erhofften sich dadurch eine verstärkte Authentizität für den Gladiatorenfilm. Auch diese Verfilmung fiel in den Trend der schon erwähnten Monumentalfilme, die ursprünglich aus Italien stammten. Auch deswegen erhofften sich die amerikanischen Produzenten, dass ihnen erfahrene Mitwirkende aus diesem Genre helfen konnten. Das aufwändige Produktionsvorhaben wurde jedoch von Unglücksfällen getroffen und schließlich wurden die Dreharbeiten in Italien abgebrochen und stattdessen in Los Angeles fertig gestellt.
Doch immer wieder und noch bis heute werden amerikanische Produktionen in Italien aufgenommen. Meist, um ein bestimmtes Lebensgefühl des Landes zu vermitteln.
Auch hier werden natürlich regelmäßig Realschauplätze angepasst, um der Filmhandlung genau den gewünschten Hintergrund zu bieten. Die Traumfabrik Hollywood vermittelt dem Zuschauer dadurch genau das, was beabsichtigt wird und durch diese inszenierte Atmosphäre wird natürlich auch der Tourismus beeinflusst.
Ein bekanntes Beispiel sind die Touristenströme, die nach dem Film Illuminati aus dem Jahr 2009 nach Italien kamen. In dem Film begibt sich Protagonist Robert Langdon auf eine Spurensuche durch Rom, um eine Verschwörung aufzudecken. Dabei bieten Sehenswürdigkeiten und Architekturen Hinweise für die nächste Station des Rätsels. Der Film von Ron Howard basierte zwar auf dem Roman von Dan Brown, aber erst durch die Visualität des Films und die Realschauplätze, die der Zuschauer zu sehen bekam, wurden viele inspiriert, die Spurensuche durch Rom selbst anzutreten. Doch genau die Hinweise, denen Langdon im Film folgt, existieren nicht bzw. nicht in dieser Form an den gezeigten Sehenswürdigkeiten. Trotzdem boten viele Stadtführer auf den Film abgestimmte Führungen an, um den Touristen den Irrweg durch die Fiktion zu ersparen.
Und diese Stadtführungen und Rundreisen, die zu Film- oder Serien-Schauplätzen führen, sind in Italien (und dem Rest der Welt) bei weitem keine Seltenheit. Internetseiten dokumentieren zum Teil genau, wo was gedreht wurde und Touristen, die wegen einem bestimmten Film den Ort besuchen, stellen meist für ein Foto die Szenen nach, was aber nicht selten gefährlich oder sogar verboten sein kann. Die Fiktion eines Films bedeutet eben, dass es nicht immer eine gute Idee ist, die Handlungen nachzuahmen.
Eine Option des Drehortes von Italien blieb bis jetzt noch unerwähnt. Trotzdem soll abschließend noch kurz auf diese eingegangen werden. Landschaften. Räume ohne Architektur oder in der diese eine untergeordnete Rolle einnimmt. Oft sind die Landschaftssequenzen Symbol der Grenzenlosigkeit, der Freiheit und der Natur. Sie sind, anders als die für den Film gebauten Kulissen und die realen Schauplätze der Städte, ein Raum, der vom Menschen unberührt ist. Die bekanntesten Beispiele dieses Raums im Italienischen Film kommen wohl aus dem Genre, das noch nicht einmal Italien darstellt und trotzdem das Bild mit seiner ursprünglichen Landschaft prägt: dem Italo-Western. Zum größten Teil wurden in diesem Genre zwar auch Aufnahmen in den Wüsten Spaniens gemacht, aber es gibt auch zahlreiche Drehorte in Italien selbst, die dafür genutzt wurden.
Obwohl es sich um Landschaft handelt, ist auch hier der Filmraum architektonisch komponiert. Die Merkmale der Landschaft werden genau wie die gebauten Elemente der Stadt eingesetzt und inszeniert. Wenn es sich jedoch nicht um natürliche Sehenswürdigkeiten handelt, fällt der Aspekt der Wiedererkennung weg. Genau das gibt der Landschaft das Potenzial, „verwechselbar“ zu werden und beispielsweise durch seine Ähnlichkeit mit der amerikanischen Landschaft als Schauplatz für ein anderes Land zu dienen.
Bis heute werden Filme in erster Linie an mal mehr, mal weniger modifizierten Realschauplätzen gedreht, die sich immer noch gegen den wieder künstlich werdenden digitalen Raum behaupten können. Die Bilder und Kulissen selbst bedienen sich einer ganzen Palette an künstlichen Einflüssen, Darstellungen und bewussten Inszenierungen, was den Schauplatz eines Films genauso künstlich macht wie das Medium selbst.
Die Realität sieht oft ganz anders aus.
Quellenverzeichnis
Koppel, Helga: Film in Italien. Italien im Film. Berlin: Henschelverlag, 1970.
Neumann, Dietrich [Hg.] : Filmarchitektur. Von Metropolis bis Blade Runner. München: Prestel- Verlag, 1996.
Weihsmann, Helmut: Gebaute Illusionen. Architektur im Film, Wien: Promedia, 1988.
Online
Bayer, Tobias: „Hollywood dreht wieder in der Legende Cinecittà“. In: Welt. <https://www.welt.de/wirtschaft/article139947108/Hollywood-dreht-wieder-in-der-Legende-Cinecitta.html>, letzer Zugriff: 20.01.2020.
Rizzo, Alessandra: „Rätsel des „Illuminati““. In: Der Spiegel. <https://www.spiegel.de/reise/staedte/rom-fuehrung-raetsel-des-illuminati-a-340988.html>, Letzter Zugriff:20.01.2020.
Squires, Nick: „British woman wades into Rome’s Trevi Fountain in imitation of Anita Ekberg in La Dolce Vita“. In: The Telegraph. <https://www.telegraph.co.uk/news/2016/07/19/british-woman-wades-into-romes-trevi-fountain-in-imitation-of-an/>, letzter Zugriff: 20.01.2020.