von Felix Herz
Der 1929 in Reims geborene Philosoph, Medientheoretiker und Soziologe Jean Baudrillard eckte mit seinem Verständnis der Moderne nicht selten an. In den 1970er Jahren entwickelte er die Simulationstheorie, in der er „konstatiert, dass nichts Reales mehr außerhalb medialer Zeichensysteme existiere“ (Lexikon der Filmbegriffe: Simulationstheorie)[1]. Zeichen werden also aufgrund fehlender Referenzen zu Simulacra, zu Schattengebilden.
Baudrillards Feind ist die moderne Konsumgesellschaft, die taub und stumm wird durch den ständigen Informationsfluss aus Zeitungen, Zeitschriften, aus iPhones und Internetseiten. Die Masse Mensch werde Baudrillard zufolge zum Schweigen gebracht, so stellt der SWR2 im Beitrag „Jean Baudrillard und die Kultur der Simulation“ (SWR2: Jean Baudrillard und die Kultur der Simulation)[2] fest.
Auch von der Politik zeichnet Baudrillard ein schwarzes Bild. Klassische Politiker seien durch PR-Experten und Medienprofis ersetzt worden und stehen einer Wirtschaftselite gegenüber, die das eigentliche Sagen hat. Die Politik sei ebenfalls eine Simulation geworden, so Baudrillard.
Baudrillard starb 2007 in Paris – er wurde 77 Jahre alt. 2007 – das war vor der Finanzkrise, vor der Flüchtlingskrise und vor Fridays for Future. Was würde Baudrillard jetzt, im Jahr 2020 und mit Blick auf ein turbulentes Jahrzehnt, sagen?
Vor allem hinsichtlich der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise standen die deutschen Leitmedien 2017 in der Kritik. Die Otto Brenner Stiftung zog ein ernüchterndes Fazit. Zwischen Februar 2015, als die Flüchtlingsthematik begann, die Griechenland-Rettung als nationales Megathema abzulösen, bis zur Kölner Silvesternacht 2015, so schreibt die Frankfurter Allgemeine, seien Journalisten ihrer Rolle als neutrale Beobachter nicht gerecht geworden (Frankfurter Allgemeine: Wie Medien über die Flüchtlingskrise berichteten)[3]. Zu sehr habe man sich dem Diskurs und den Losungen der Politik unterworfen, anstatt die Sorgen und Ängste der Bevölkerung zu beleuchten. Das habe eine Frontbildung in der Gesellschaft verstärkt, sagt Michael Haller, Studienleiter und wissenschaftlicher Direktor des Europäischen Instituts für Journalismus- und Kommunikationsforschung. Erst gegen Ende 2015 habe sich der mediale Diskurs erweitert – und man habe, so Haller weiter, teilweise den Eindruck bekommen, manche Journalisten versuchten nun, übereifrig nachzuholen, was zuvor versäumt wurde.[4]
Wo stehen wir nun im Jahr 2020? Die Stimmung ist aufgeheizter, die Fronten weiterhin verhärtet. Zwischen Trump, Johnson, Brexit, Irankonflikt, Klimaschutz und -Hysterie, ist die Flüchtlingskrise keine Krise mehr, sondern vielmehr eine Thematik.
Wir stehen vor Bildern, die Geschichten erzählen, vor Zeilen, die Einblicke bieten, und vor Ausschnitten, die eine Vergangenheit zeigen. Wir stehen vor Perspektiven – was würde Baudrillard sagen?
Titelbild- und Coverquellen, sowie Danksagung:
Folgende Zeitungs- und Magazinausgaben wurden genutzt (Die Copyright-Angaben befinden sich ebenfalls am unteren Rand der Ausstellungsbilder):
- Süddeutsche Zeitung:
- Titelstory: „Gestrandet beim kleinen Bruder“, 11.07.2011
- Titelstory: „Türkei erwartet neue Flüchtlingswelle“, 22.09.2014
- Titelstory: „Verlorene Generation“, 13.03.2015
© Süddeutsche Zeitung GmbH, München. Mit freundlicher Genehmigung von Süddeutsche Zeitung Content (www.sz-content.de).
Ich bedanke mich, die genannten Ausgaben kostenfrei nutzen zu dürfen.
- Spiegel:
- DER SPIEGEL 10/2016
Ich bedanke mich, die genannten Ausgaben kostenfrei nutzen zu dürfen.
- Die WELT:
- Die WELT, 01.09.2015
- Die WELT, 28.10.2015
- Die WELT AM SONNTAG, 03.01.2016
Ich
bedanke mich, die genannten Ausgaben nutzen zu dürfen.
[1] Simulation / Simulationstheorie : Baudrillard ; Lexikon der Filmbegriffe, https://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5767
[2] Jean Baudrillard und die Kultur der Simulation ; SWR2 Wissen, https://www.swr.de/swr2/programm/download-swr-9234.pdf
[3] Wie Medien über die Flüchtlingskrise berichteten: Frankfurter Allgemeine, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/fluechtlingskrise-so-berichteten-die-medien-15115172.html
[4] Wie Medien über die Flüchtlingskrise berichteten: Frankfurter Allgemeine, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/fluechtlingskrise-so-berichteten-die-medien-15115172-p2.html